Interview mit Synchronsprecher Michael Kessler

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TS: Wie sind sie eigentlich zum Schauspiel gekommen?

Kessler: Ganz langweilig und klassisch eigentlich. Ich bin keiner, der schon mit 3 Jahren Schauspieler werden wollte. Ich bin irgendwie in die Theater-AG meines Gymnasiums gedrängt worden mit dem Satz "Mach doch mal", dann war ich Statist am Theater in Wiesbaden und hab nach dem Zivildienst überlegt was ich jetzt machen soll. Dann hab ich das probiert. Ich hab Aufnahmeprüfungen gemacht, in Bochum hats geklappt. Und dann kam "Manta, Manta" gleich nach der Schauspielschule. Ich hab aber danach erstmal 5, 6 Jahre Theater gespielt, bevor ich zum Fernsehen gewechselt habe.
Und ich habe in "Schtonk" mitgespielt. Da hab ich meinen ersten Satz vor der Kamera gesagt: "Der Führer brennt nicht!" das war die Anfangsszene, in der wir versuchen, die Leiche von Hitler in einem Bombenkrater zu verbrennen. Damit begannt meine unsägliche Karriere.

TS: Das ist ja schon ne Weile her.

Ja, ich war von 1988 bis 1992 auf der Schauspielschule und in der Zeit 91/92 entstand auch "Schtonk". Im Ensemble der Schauspielschule in Bochum war Armin Rhode, und der sagte (Kessler verstellt die Stimme) "die dreh´n da `n Film, in Dortmund zwei Nächte, da musste `nen Nazi spielen. Haste Lust ?" und ich meinte "Joa, Nazi klingt gut". Wer will das nicht einmal im Leben ? Das war damals strange weil ich zum ersten Mal einen Totenkopf-SS-Uniform angezogen habe. Das war schon ein seltsames Gefühl. Und irgendwie verfolgt mich Hitler bis heute. Und Stromberg auch (Kessler spielt in "Switch-Reloaded" Hitler als Büroleiter im Stromberg-Stil, Anm d.Red.) .

TS: Sie sind schon ne Weile sehr erfolgreich. Können sie noch unerkannt über die Straße gehen?

Kessler: Es geht. Durch "Schillerstraße" hat sich viel geändert. Und auf "Manta, Mant"a werde ich heute noch angesprochen, weil der Film vielen Menschen viel Freude gemacht hat. Durch "Switch" bin ich nicht so erkannt werden, weil die Maske mich verborgen hat. In der "Schillerstraße" war ich aber mit meinem Gesicht und als Michael zu sehen. Es gibt Tage, da werde ich nicht erkannt, und Tage da wird man jede Minute erkannt. Das hat alles seine Vor- und Nachteile.

TS: Sie schreiben bei "Switch" auch an den Sketchen mit. Sehen sie die Show auch als Medienkritik?

Kessler: Absolut !

TS: Was halten sie von der deutschen Fernsehlandschaft?

Kessler: Das kann man nicht verallgemeinern. An manchen Stellen würde ich mir wünschen, sie wäre qualitativ hochwertiger. Aber es muß alles geben, wie beim Spielplan am Theater. Es muß was Anspruchsvolles geben, aber auch was Einfaches. Ich würde mir wünschen, dass die Sender sich wieder etwas mehr trauen, selbstbewußter werden im Erfinden neuer Formate, nicht alles adaptieren und nicht immer gucken was gibt es in Amerika oder in England und dan sagen "oh, das machen wir auch". Und dann machen sie es immer billig, billig, billig. Die Fernsehsender haben viel Geld, sie sollen es bitte investieren und gute Arbeit abliefern !

TS: Sehen sie manchmal Sendungen, die sie nicht toppen können und dann bei "Switch" nicht parodieren?

Kessler: Ja, es wird bei "Switch" an vielen Punkten schwieriger. Man sieht ein Format und fragt sich "Um Gottes Willen, was können wir da noch draufsetzen ? Das ist schon so absurd" und auch schlecht manchmal. Manche Dinge machen wir aus diesen Gründen nicht.

TS: Gabs schon mal Ärger mit Leuten, die sie parodiert haben?

Kessler: Nein. Einmal, in den 90er Jahren hat uns Heiner Lauterbach eine einstweilige Verfügung verpasst, weil wir in einem Sketch behauptet hätten, er hätte gekokst. Das hat er ja nun in seinem Buch endlich mal zugegeben, also hat sich die Verfügung wohl erledigt und wird dürften den Sketch jetzt wieder zeigen. Ansonsten ist es interessant zu beobachten, dass mit dem steigenden Erfolg der Sendung die Promis das "unheimlich" witzig finden. Es ist natürlich eine Sache, was die vor der Presse sagen, was sie privat denken kriegen wir nicht mit. Wir wissen nur dass Katharina Saalfrank, die "Super-Nanny" das nicht lustig findet. Sie findet sich nicht gut wiedergegeben und schlecht gespielt hat sie mal gesagt.

TS: Wen parodieren sie am liebsten?

Kessler: Ich habe keinen Favoriten. Ich mach die alle gerne.

TS: Wie lange soll denn Switch weitergehen?

Kessler: Wir haben gerade die 5. Staffel ausgestrahlt, die war erstaunlicherweise die erfolgreichste. Darum gehe ich davon aus das Pro7 die Marke erhalten wird und wir weiter drehen. Das ist aber noch nicht offiziell. Ansonsten würden wir im Sommer drehen und im Herbst ausstrahlen.

TS: Für viele Schauspieler ist so ein langes Engagement nicht üblich. Genießen sie das, oder werden sie irgendwann unruhig und wollen was anderes machen?

Kessler: "Switch" ist eine Familie. Der Großteil kennt sich seit Ende der 90er Jahre. Das ist nicht geheuchelt oder gelogen: wir mögen uns, wir respektieren uns, wir sind befreundet und ich sage das merkt man dem Format an. Comedy ist ganz schwer wenn man sich nicht versteht. Wenn du dich versteht hilft es unglaublich. Das ist ein großer Vorteil, darum fühlen wir uns da alle wohl, und darum war es für mich auch sofort klar, als "Switch - Reloaded" angesagt wurde, dass ich wieder dabei bin, weil ich dieses Format auch super finde, ein schnelles, intelligentes Format. Der Erfolg bestätigt uns, er war einfach Zeit dass das wiederkommt, die Leute sind froh, dasss das Fernsehen in die Mangel genommen wird und nicht alle sagen es ist alles toll.

TS: Wie kommen sie auf ihre Ideen?

Kessler: Das ist ein großer Austausch unter den Kollegen, es ist ein sehr gemeinschaftlicher Prozeß und dann ist da ein Autorenpool, zu dem ich auch gehöre.Ich schreibe, wenn mir was einfällt, irgendwelche Nummern,und hoffe dass sie gedreht wird, was nicht immer der Fall ist und so entsteht die Sendung. Es ist schwer, Leute zum Lachen zu bringen, schwerer als zum Weinen. Und nach der Comedy-Schwemme der vergangenen 10-15 Jahre ist es nicht viel leichter geworden. Die Komik hat sich verändert, sie ist schneller und schärfer geworden, weil die Leute abgestumpft sind und soviel passiert ist und sie schon soviel gesehen haben. Da fragt man sich oft, wo setze ich an, wie bringe ich die zum Lachen, wie treffe ich das Humorzentrum, wie bewege ich die ? Das ist schwer, aber das ist auch die Herausforderung.

TS: Ist der Humor auch platter geworden ? Mario Barth füllt mit der immer gleichen Masche Stadien.

Kessler: Dschungelcamp gucken auch die meisten Menschen. Ich würde sagen, dass das Simple immer die Massen bewegen wird, mehr als das Anspruchsvollere und Schwierigere. Deswegen rennen halt 15.000 Menschen in die Köln-Arena und gucken sich Mario Barth an. Aber das sind auch Wellen. Das Qualitative hält sich aber letztlich länger.

TS: Welche klassischen Komiker bringen sie denn zum Lachen?

Kessler: Peter Sellers, Die Blake-Edwards-Filme, Loriot, Gerhard Polt aber auch Laurel und Hardy. Dick und Doof ist Slapstick, darüber kann ich ...(auch)... lachen, aber sonst bin ich eher dem gehaltvolleren intelligenteren Humorm zugewandt. "Curb your enthusiasm", Larry David himmele ich an. Und ich lache über Ricky Gervais, der hat bei den Golden Globes ganz schön zugeschlagen, aber sie haben es ja alle verdient, diese "Künstler".

Hier könnt ihr euch den Trailer und alle weiteren Extras zu RANGO ansehen.

TS: Wie haben sie sich denn auf die Rolle als Klapperschlage vorbereitet?

Kessler: Ich bin nicht in den Zoo gegangen. Ich weiss ja in etwa wie eine Klapperschlange aussieht. Der Job kam sehr überraschend. Ich hab zum erstenmal synchronisiert, das war sehr aufregend und eine Herausforderung. Ich war auch überrascht, als Bösewicht angefragt zu werden. Normalerweise mach´ ich viel Unsinn im Fernsehen und bin der sympathische Schwiegersohn von nebenan. Diesmal war´s ganz anders. Die aufgenommene Stimme geht in die USA, da entscheiden die Amerikaner, ob die Stimme genehm ist oder nicht. Im Original spricht Bill Nighy die Rolle, der ist auch ein bißchen älter als ich. Ich hatte beim Casting daher meine Zweifel, ob das was wird. Dann kam aber die Zusage und danach hab ich mich auch ganz klar an Bill Nighy orientiert. Der hat aber die Latte sehr hoch gehängt und ich habe mich bemüht dem nahe zu kommen, weil ich der Auffassung bin, ich muss der Synchronfassung nicht meine Stimme aufdrücken und meinen Senf dazugeben. Das hasse ich oft bei Synchronfassungen, wenn der Schauspieler was ganz anderes macht als im Original. Das finde ich respektlos.

TS: Welches Verhältnis haben sie denn zu Schlangen?

Kessler: Ich hab nach wie vor Angst vor Schlangen, und die wird man in diesem Film auch haben. Es ist wirklich kein liebenswerter Charakter. Es gibt mehrere böse Charaktere in dem Film, aber das ist schon ne sehr unheimliche Figur und so soll sie sein. Man hat Angst vor ihr.

TS: Es könnte schon der Verdacht aufkommen, dass man sie engagiert, weil die Leute sie kennen und es dann einen bekannten Namen auf dem Film-Plakat gibt. Haben sie das selbst auch gedacht?

Kessler: Das ist oft bei Animationfilmen so, das da irgendwelche Prominasen verpflichtet werden. Aber ich kann sprechen, ich arbeite mich in die Stimme ein, sehe das als Herausforderung und versuche den Job gut zu machen. Und bei Rango bin auch der einzige ohne Synchronerfahrung, alle anderen Figuren werden von Synchronsprechern gesprochen, vor denen ich großen Respekt habe. David Nathan macht da einen großartigen Job. Ich gucke Filme eigentlich immer lieber im Original, aber Nathan synchronisiert Depp, den er ja sonst auch spricht, wirklich fantastisch.

TS: Normalerweise finden Sprachaufnahmen für jede Rolle einzeln in einem Studio statt. Bei "Rango" standen Depp und alle anderen Sprecher wie auf einer Bühne zusammen, mit Kostümen und Requisiten. So gut hatten sie es nicht, oder?

Kessler. Leider nein. Ich wäre gern bei diesen Proben dabei gewesen. Ich finde das so eine geniale Idee, wie Verbinski (der Regisseur) das gemacht hat. Das muss auch den Zeichnern sehr helfen. Johnny Depp schimmert im Film mit seinem Humor und seinen Bewegungen immer wieder durch. Das ist eine irre Idee. Als Synchronsprecher steht man aber nur in einem dunklen Studio und spricht die Szenen nach.

TS: Die Proben wurden mit Kameras aufgezeichnet. Haben sie die Aufnahmen gesehen?

Kessler: Nein, ich hab nicht mal den ganzen Film gesehen, nur die Szenen , in denen meine Figur auftaucht, und die auch nur in Schwarz-Weiß mit einem riesigen Paramount Logo , damit das ja keiner abfilmt.