Aus Der Ferne Filmtipp

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… In der Zeit als ich den Film gedreht habe, war der Diskurs über die Türkei stark aufgeheizt. Er ist es ja immer noch. Es war fast eine Hauptarbeit bei diesem Film, nicht auf kürzestem Wege bei diesen im Zusammenhang mit der Türkei grassierenden Sprachmustern und ihren entsprechenden Bebilderungen zu landen. Okzident, Orient, Abendland, Morgenland - ich kann damit nichts Reales verbinden. Der Ausgangspunkt für diesen Film ist einfach, dass man überhaupt mal ein Bild kriegt, das nicht sofort einer Theorie zuzuschlagen oder die bloße Illustration von etwas Vorgewußtem ist. Ich wollte meinen Blick öffnen für einfache, konkrete Dinge, das tägliche Leben in diesem Land.
… Ich hatte zuvor zwei Recherchereisen in die Türkei gemacht. Dabei habe ich die Route festgelegt. Diese Route sind wir dann beim Drehen von Westen nach Osten abgefahren. In den zentralen Städten der Reise waren wir jeweils etwa eine Woche, wobei ich jeweils die ersten ein, zwei Tage nichts gedreht habe. Ich wollte erst einmal ankommen und mich umsehen. Danach wurde ein grober Plan für die nächsten Tage gemacht. Auf diese Weise haben wir uns in Richtung Osten vorgearbeitet.
… Neben mir bestand das Team aus einem Tonmann, einem Regieassistenten und einem Fahrer. Ich bin froh darüber, dass es möglich war auf Film zu drehen. Ich hätte mir Sorgen gemacht, mich in dem Berg von Material zu verlieren, den ich mit Video hätte aufnehmen können. Es war mir eine Hilfe mit relativ wenig Material auskommen zu müssen. Dadurch war es immer eine wichtige Entscheidung, ob ich die Kamera anmache oder nicht. … Bei dem was ich gedreht habe, wollte ich so wenig wie möglich in das Geschehen vor der Kamera eingreifen.
… Istanbul war die erste Station der Reise. Mir war klar, dass dieser Film einerseits erst nach und nach beim Drehen entsteht, und dass ich gleichzeitig mit den ersten Einstellungen des Films bereits seine Richtung vorgebe. Der Istanbul-Teil ist ein Herantasten. Ich wollte nicht einfach etwas abrufen. Es ging ums Ankommen, ums Hinsehen. Istanbul ist eine gigantisch große Stadt, von der man vieles hätte zeigen können. Das, was ich ausgewählt habe, verhält sich auch zu den geläufigen Bildern, die es über Istanbul gibt. Z.B. die abgedroschenen Brücken-Metaphern. Es ging mir darum, das tausendmal Gezeigte auszulassen und doch etwas von der Stadt sichtbar zu machen.
… Bei einem Reisefilm ist man letztlich immer zu kurz an den Orten, selbst wenn man versucht sich Zeit zu nehmen. In den wenigen Tagen kommt man nicht sehr vielen Leuten nah. Natürlich versucht man das herzustellen, aber es gibt trotzdem selten Situationen, in denen es sich ergibt. Der Blick des Films ist ein Blick von Außen. Der Blick eines Durchreisenden. Das nicht aus den Augen zu verlieren, war auch für die Form des Films wichtig.


89 Min

„Aus der Ferne“ ist ein Dokumentarfilm, der eine Reise durch die Türkei zum Gegenstand hat. Thomas Arslan, der auch die Kamera selber führte, hat diese Reise im Mai/Juni 2005 unternommen. Die Route der Reise führt über ISTANBUL und ANKARA in den Südosten des Landes nach GAZIANTEP, von dort weiter nach Osten über DIYARBAKIR und VAN bis nach DOĞUBAYAZIT nahe der iranischen Grenze. Der Film zeigt Momente dieser Reise, die abseits der geläufigen Motive aus der heutigen Türkei sind - Impressionen des Alltags aus den westlichen Städten wie Istanbul und Ankara bis zu den vor kurzem noch umkämpften Regionen im Osten des Landes. "Aus der Ferne" ist keine journalistische Reportage. Der Film will nichts beweisen, sondern hinsehen. Es ist der persönliche Blick des Filmemachers auf dieses Land.

THOMAS ARSLAN ÜBER SEINEN FILM

(Auszüge aus einem Interview mit Michael Baute, geführt am 3.1.2006 in Berlin):