Paolo Sorrentino: Lyriker des Gegenwartskinos
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Paolo Sorrentino: Lyriker des Gegenwartskinos

Bild von Jochen Becker
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Paolo Sorrentino: "LORO erzählt, auch wenn es vielleicht überrascht, die Geschichte dieses Menschen und nur am Rande die des Politikers. Man könnte einwenden, dass wir ihn doch schon ausreichend kennen würden, nicht nur den Politiker sondern auch den Menschen. Ich wage das zu bezweifeln.“

Gemeint ist mit diesem scharfsinnigen Zitat die Geschichte von Medienmogul, Multimilliardär und dem viermaligen Ministerpräsidenten Italiens: Silvio Berlusconi, der vermeidlich immer gut gelaunte Cavaliere mit dem paradiesischen Leben. Berlusconi ist wohl einer der berüchtigtsten europäischen Politiker der letzten 20 Jahre, der einst vom Schnulzensänger zum mächtigsten Mann des Landes aufstieg.

Meisterregisseur, Autor und Oscar-Preisträger Paolo Sorrentino eröffnet uns nun mit LORO – DIE VERFÜHRTEN ab dem 15. November im Kino Einblick in die ereignisreiche Vita des italienischen Politikers – genauer in die Ära zwischen 2006 und 2010, in der Silvio Berlusconi, brillant gemimt durch Toni Servillo, vorerst abgewählt und ausgelaugt sein Dasein auf einer Sommerresidenz in Sardinien fristet. Eine Phase, in der Menschen, ungeachtet dessen, zu Berlusconi aufschauen und zur Ikone stilisieren. LORO – DIE VERFÜHRTEN zeigt uns einen Dunstkreis von Figuren, die gierig nach seiner Aufmerksamkeit lechzen, nach Macht und Reichtum streben. Oder ihn zerstören wollen. In gewohnt großartiger und poetischer Sorrentino-Manier und wie es das Eingangs-Zitat schon erahnen lässt, ist es keine rein politische Geschichte: Der einzigartige Filmemacher Sorrentino erzählt die Geschichte von Berlusconi als Mensch, erforscht sein Inneres, was ihn umtreibt, seine rätselhaften Ängste.

Zeitgleich lässt er in LORO – DIE VERFÜHRTEN die Bedürfnisse jener Italiener erahnen, die sich von ihm angezogen oder abgestoßen fühlen. Er möchte mit seinem neuesten Werk jüngeren sowie älteren Zuschauern zeigen, wie sich Menschen, angetrieben von unterschiedlichen Zielen und Leidenschaften, von einem Mann anlocken lassen und ihre Hoffnung auf Erlösung fatalistisch auf diesen projizieren. Sorrentino führt uns ein in die Geheimnisse einer auf den ersten Blick zutiefst amoralisch und dekadent wirkenden Welt. So sagt er:

+++ „Es ist ein Geheimnis, das uns kennzeichnet und dem der Film sich zu nähern versucht, ohne selbst ein Urteil zu fällen und stattdessen einen Tonfall anzuschlagen, der heutzutage tatsächlich revolutionär erscheinen mag: den Ton der Zärtlichkeit." +++

Der politische Kontext bildet vielmehr nebenbei den Rahmen für alle menschlichen Dynamiken, den Schein und das Sein einer Ära. Kaum ein anderer Regisseur versteht sich so gut darin und wagt sich daran, fundierte Fakten und Gesellschaftskritik in filmischer Poesie parabelartig auf der Leinwand verschmelzen zu lassen! Mit dem Einsatz von expressiven und prachtvollen Bildern, erzeugt er gekonnt Stimmungen. Paolo Sorrentino, 1970 in Neapel geboren und von Jung an vom Kino besessen, studiert die Menschen und ihre Begierden. Das Ergebnis sind visuell virtuose, clevere inszenierte Portrait-Skizzen – die tragisch, spannend, humoristisch und satirisch zugleich ausfallen. Er prägt entscheidend das italienische Gegenwartskino. Sorrentino ist extrem produktiv, originell, clever und mutig in seinen Ideen.

Sorrentino arbeitet immer und immer mit dem extrem wandelbaren Toni Servillo zusammen, seit dem allerersten Debutfilm „L’homo in piu“ im Jahre 2002, mit dem er unmittelbare Erfolge feierte!

2008, genau vor zehn Jahren, brachte er mit „Il Divo – Der Göttliche“ die Geschichte über den ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti auf die Kinoleinwand, dessen skandalträchtiges Leben fantastisch von Toni Servillo als machthungrigen und buckeligen Politiker verkörpert wird. Mit seiner bitterbösen Polit-Satire besticht Sorrentino mit viel Zynismus, erzeugt gleichzeitig Abneigung und Faszination zugleich – für eine Ära und diesen speziellen Politiker. Und er rechnet als erster Filmemacher mutig mit dem Italien der 80er und 90er Jahre ab! Der Film erlangte weltweit Aufmerksamkeit und zog viele Nominierungen und Preise nach sich.

Mit „La Grande Bellezza – Die große Schönheit“ gelang Sorrentino 2013 der große internationale Durchbruch. Erzählt wird hier bildmächtig die Geschichte des alternden Star-Journalisten Jep Gambardella (Toni Servillo), inmitten der Schönen und Glamourösen von Rom. Er selbst ist Teil dieser dekadenten, mondänen Welt – stets makellos gekleidet und Gast von exzessiven Partys sowie Frauenverführer. Doch in einer Lebenskrise hinterfragt und reflektiert Gambardella die ach so schöne und geleckte Welt. Sorrentino präsentiert ein wunderschön melancholisches Werk, über eine Scheinwelt und Sinnsuche darin. Auch hier nahm er bereits einen bissigen Blick auf die Oberschicht ein, in Anlehnung auf die exzessiven Gelage der Berlusconi Zeit. Belohnt wurde er 2014 mit dem Golden Globe sowie einem Oscar in Kategorie Bester fremdsprachiger Film!

2015 präsentiert Regiegenie Paolo Sorrentino das emphatische und tiefsinnige Filmwerk „Ewige Jugend“, mit großen Stars wie Michael Caine, Harvey Keitel, Rachel Weisz und Jane Fonda in den Hauptrollen. Hier beobachten wir zwei alte Freunde dabei, ehemals Komponist und noch Regisseur, in der Höhe der Alpen, wie sie in einem Wellnesshotel über die Welt, den Sinn des Lebens und skurrile Hotelgäste sinnieren… Von der Presse durchweg als berührendes Meisterwerk gepriesen und mehrfach preisgekrönt, darunter dreimal mit dem Europäischen Filmpreis 2016 für den Besten Film, Beste Regie und für Michael Caine als Bester Hauptdarsteller, ist „Ewige Jugend“ in die Filmhistorie eingegangen.

Lasst euch nun durch Paolo Sorrentino in eine Ära des Silvio Berlusconi entführen, die viel mehr zu sein scheint, als wir erahnen können… DCM bringt LORO – DIE VERFÜHRTEN am 15. November 2018 ins Kino!

Zum Inhalt: Italien vor zehn Jahren. Jeder korrumpiert jeden. Getrieben von maßloser Gier nach Reichtum, Macht und rauschhaftem Sex, totaler Entgrenzung und ewiger Jugend suchen sie alle die Nähe ihres Cavaliere Silvio Berlusconi: Sergio, der kleine Call-Girl-Ring-Betreiber aus Apulien, Ramsch-Bild des italian lovers, mit seinen zugekoksten Mädchen und seiner durchtriebenen Ehefrau Tamara ebenso wie die ausgebufften Politgreise Roms, die es nicht lassen können, sich an die Macht durchzustechen. Es ist ein Reigen aus ungestillten Sehnsüchten und schillernder Dekadenz, moralischem Abschaum und lasziv zuckenden Körpern, der sich wie magisch angezogen immer enger um „IHN“, den Mächtigsten des Landes und größten Medien-Moguls Europas schließt. „ER“ versteht als Einziger ihre Ängste und Hoffnungen und verheißt jedem in seinen kitschbunten TV-Shows das Glück im Spaß-Paradies, das er ihnen hemmungslos vorlebt.

In Wahrheit brütet der geniale Traum-Verkäufer mit dem gefärbten Haar einsam auf seiner atemberaubenden Sommerresidenz in der sardischen Sonne - abgewählt, ausgebrannt, zahn- und ratlos, verfolgt von zahllosen Anklagen. Veronica, die wundervolle Ehefrau, die er liebt, verachtet ihn und will ihre Würde zurück. Doch als er Wind davon bekommt, dass ein enger Vertrauter in Rom drauf und dran ist, ihm das Messer in den Rücken zu jagen, erwacht sein Stolz zu neuem Leben. Angestachelt vom Reigen der Jungen und Schönen, der nach Erlösung lechzenden Korrupten und Dekadenten, entschließt sich Silvio Berlusconi, seinen Verkäuferinstinkt wieder von der Leine zu lassen und die Macht erneut an sich zu reißen.

Mit einem Star-Ensemble der italienischen Schauspielkunst verknüpft der große Lyriker des Gegenwartskinos, Oscar-Preisträger Paolo Sorrentino („La Grande Bellezza“, „Ewige Jugend“, „Il Divo“), seine paradigmatischen Charaktere zu einem bildmächtigen, schönheitstrunkenen, ebenso schreiend komischen wie abgründig verzweifelten Fresko unserer Existenz. Ein episch wilder und zugleich anrührender Schlussgesang auf unsere Zeit, der nicht abrechnen will, sondern, jeden Zynismus hinter sich lassend, uns am Ende trotz allem voller Zärtlichkeit eine Geschichte der Liebe erzählt.


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Mit Material vonDCM