Von DISTRICT 9 zu ELYSIUM – Neill Blomkamps actionreiche Zukunftsvisionen mit politischem Subtext

Bild von Jochen Becker
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Mit einem wahren Paukenschlag erschien Neill Blomkamp mit seinem ersten Spielfilm DISTRICT 9 im Jahr 2009 auf der Bildfläche. Sein Werk feierte sowohl bei den Kritikern als auch an den Kinokassen große Erfolge und wurde nicht ohne Grund für zwei Oscars nominiert. Die Presse lobte vor allem Blomkamps Stil des Filmemachens und das Publikum honorierte die Originalität und Innovativität von DISTRICT 9 mit zahlreichem Erscheinen in den Kinosälen. Was die Zuschauer vor allem faszinierte, waren die packenden Themen, mit denen sich der Film befasste: Gekonnt kombinierte Blomkamp eine Alien-Invasion mit beißender, hoch aktueller Gesellschaftskritik. Und auch in seinem neuen Film ELYSIUM (ab 15. August im Kino) vermittelt der in Südafrika geborene Regisseur und Drehbuchautor wieder eine actionreiche Zukunftsvision der kritischen Art.

Die Welt von ELYSIUM wird dominiert von einem allgegenwärtigen Zwei-Klassen-System: Auf der einen Seite die überbevölkerte, ausgebeutete Erde – auf der anderen Seite die ausschließlich von einer extrem wohlhabenden Elite bewohnte Raumstation Elysium. Während im Jahr 2013 nur sechs Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS leben und arbeiten, zeigt Blomkamps Vision, was sich aus diesen bescheidenen Anfängen in 150 Jahren entwickeln könnte: Eine hochmodern ausgestattete neue Heimat nur für Superreiche.

„Natürlich klingt dieser Gedanke ziemlich skurril“, sagt Blomkamp. „Die Idee, dass man Steine, Mörtel, Beton, Swimming-Pools und alles mögliche in die Raumstation hinaufschafft, um dort dann diese Villen zu erbauen – das ist freilich Satire. Sie verstärkt so aber den Grundgedanken des Films: Die Leute von Elysium verfügen über unvorstellbaren Reichtum und diesen nutzen sie, um sich ein separates synthetisches, fast hermetisch abgeriegeltes Lebensumfeld zu errichten. So gesehen ist Elysium die genaue Umkehrung der Alien-Invasions-Story. Nach wie vor geht es um Menschen, die ihre Art zu leben verteidigen. Aber statt für die Erde zu kämpfen, ziehen sie lieber um in den Weltraum.“

„Was mich vor allem interessiert, sind große soziologische Konzepte.“

Blomkamps Idee einer solchen perfekten Welt fernab der zugrunde gehenden Erde beruht auf tatsächlich existierenden Konzepten: „In den 1970er Jahren gab es in der Tat Diskussionen darüber, ob man Raumstationen bauen könnte, um die Erde eines Tages zu verlassen und im All zu leben.“ Aus dieser Fragestellung entstand beispielsweise das Konzept des sogenannten „Stanford Torus“ – einer Donut-förmigen Raumstation. „Mit dieser bekannten Idee wollte ich ein bisschen spielen, sie mit Themen wie Reichtum, Diamanten und Bel-Air-Villen garnieren. Dieses Bild, dieser Gedanke, derartig exorbitante, aberwitzige Anwesen auf einer Donut-artigen Raumstation zu errichten, finde ich einfach umwerfend komisch“, erklärt Blomkamp. „Und daraus wollte ich letztlich gern einen Film machen“.

Produzent Simon Kinberg legt Wert auf die Feststellung, dass ELYSIUM zwar in erster Linie ein Actionfilm sei, jedoch habe er einen politischen Subtext, der sich perfekt mit der Action vermische, weil Blomkamp sowohl für das Drehbuch als auch für die Regie verantwortlich war. „Der Film befasst sich mit Themen, die man nicht unbedingt in einem Sommer-Actionfilm erwarten würde. Ich hoffe, dass die Zuschauer einerseits Spaß an der Action-Erfahrung haben, aber andererseits möglichst auch etwas von den Anspielungen auf die reale Welt mitnehmen.“

„Genau so, wie ich alles in die Luft sprengen will, möchte ich Filme über ernste Themen machen“, erklärt Neill Blomkamp seine Motivation. „Ich mag Action und das Visuelle – das steht für mich immer am Anfang. Ebenso interessiere ich mich aber auch für Politik. Wenn das Grundgerüst also erst einmal steht und ich mich mit den Figuren und der Story befasse, fließen die politischen Themen, die mich faszinieren, nach und nach in das Ganze ein. Was mich vor allem interessiert, sind große soziologische Konzepte. Darüber möchte ich gern Filme machen, und zwar in einer Art und Weise, die weder plump noch moralisierend wirkt“, so Blomkamp. „Derartige Fragestellungen in ein solches Setting zu verfrachten, ermöglicht es dem Publikum, alles aus einer anderen Perspektive zu sehen – das ist jedenfalls mein Ziel“.

„ELYSIUM kann als eine Art Weggabelung gesehen werden.“

Auch Hauptdarsteller Matt Damon hofft, dass die Botschaft des Films bei den Zuschauern ankommt: „Ich denke, es ist eine Hoffnung machende Message: Selbst in einer Zukunft, in der jeder für sich selbst kämpft, ist es uns möglich, unsere Menschlichkeit zu bewahren.“ So, wie DISTRICT 9 sich mit sozialer Gerechtigkeit, Klassenunterschieden und den Beziehungen zwischen verschiedenen Rassen befasste, stellt auch ELYSIUM wichtige Fragen in Bezug auf unsere aktuelle Situation im Kontext zukünftiger Entwicklungen.

„Der ganze Film ist eine Metapher“, sagt Blomkamp. „Die Ungleichverteilung des Reichtums und deren Auswirkungen auf die Immigration – darüber denke ich sehr viel nach. Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird unsere Welt der in ELYSIUM allmählich immer ähnlicher werden.“ Blomkamp weist darauf hin, dass der krasse Gegensatz zwischen Reichtum und Armut bereits hier und jetzt auf der Erde präsent ist: „In Mexico City, in Johannesburg, in Rio – dort gibt es sehr wohlhabende Leute, die mitten in einem Meer der Armut in geschlossenen Wohnkomplexen leben.“

„Und wie ich das sehe, steuern auch Städte in den USA in diese Richtung. Genau deshalb spielt der Film in Los Angeles“. So betont Blomkamp die Aussage seines neuen Films am Ende noch einmal in aller Deutlichkeit: „Dieses Missverhältnis kann nicht für immer fortbestehen. Ich habe keine Ahnung, wie das alles einmal endet – ob wir uns aus eigener Kraft aus diesem Dilemma befreien oder ob alles über uns zusammenbrechen wird. ELYSIUM kann hier als eine Art Weggabelung gesehen werden.“

Mit Material vonS&L Medianetworx

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